
von markus.freise
1 Jahr täglich meditieren
[intro]Nachdem ich im vorhergehenden Beitrag über meine Erfahrungen zu „1 Jahr täglich Tagebuch schreiben“ schrieb, folgt heute mein Erfahrungsbericht über ein Jahr lang tägliche Meditation.[/intro]
Den Beschluss, mich ernsthaft dem Thema „Meditation“ zuzuwenden geschah aus dem gleichen Grund, wie das Tagebuch schreiben: In Perspektive eines anspruchsvollen Jahres, vor allem im Daytime-Job, war es meine Absicht, mich mental zu stabilisieren. Und wenn „Tagebuch schreiben“ ein guter Anker für mein Mind in diesem Wirbelsturm war, so war Meditation der Navigator über das vom Wind gepeitschte Meer.
Nicht ganz „Beginner’s Mind“
Dabei war Meditation für mich kein leeres Blatt. Über das vergangene Jahrzehnt hatte ich bereits reichlich Erfahrung im Kundalini Yoga sammeln können. Auch dank der Tatsache, eine ausgebildete Lehrerin an meiner Seite zu wissen. Ein wesentlicher Aspekt dieser Yoga-Schule ist die Meditation.
Aus dieser Zeit stammt dann auch das Meditationserlebnis, das mir klar gemacht hat, welche Power diese Jahrtausende alte Praxis hat: Während einer intensiven, geführten Kundalini-Meditation in einem Workshop des Yoga-Lehrers Atma Singh, kam ich so tief in mein Mind, dass ich irgendwann buchstäblich vor mir selbst stand. Eine echte, nahezu außerkörperliche Erfahrung wie man sie sonst nur aus irren Blog-Artikeln kennt. Das klingt spooky, war es auch. Und doch ist es so wahr, wie ich dort saß.
Meine Frau, als Yoga-Lehrerin, aber vor allem als Partnerin, war es dann, die mir über diese Jahre immer wieder ans Herz gelegt hat, mehr zu meditieren. Um mein rastloses Mind einzufangen. Ich sagte immer „Ja, ja. Du hast Recht.“ Machte alles mögliche. Schrieb Bücher. Zeichnete Comics. Crowdfundete zwei mal. Baute eine Agentur auf. Sowas. Aber alles, ohne zu sitzen. Ohne zu meditieren. Völlig ignorierend, welche Kraft diese Technik besitzt.
Kopfüber in Headspace

Andy Puddicombe von Headspace
Manchmal sind es dann die Zufälle, die einem in die Karten spielen. Bei mir ging das so: Der Algorithmus der Website Medium spielte mir eines Tages den Beitrag „How I tricked myself into meditating“ von Jake Knapp in die Timeline. Den las ich interessiert und was Jake dort über die App Headspace sagt, machte mich neugierig. Also lud ich sie herunter und machte im Laufe meines #alleineurlaubs2017 in London den kostenlosen Basic-Kurs. Das gefiel mir gut und ich dachte darüber nach, das fortzuführen. Aber dann kam wieder dieses verrückte Leben und ich vergaß das alles wieder.
Erst, als mir Ende 2017 eben klar wurde, dass ich mich mental würde stabilisieren müssen, und ich mir als Werkzeuge dazu so einiges zurecht legte –Deep Work, Sport/Laufen, Tagebuch, Coaching/Therapie und eben Meditation – fiel mir Headspace wieder ein.
Und so schloss ich dann deren Abo ab und bin bis heute dabei geblieben. Jeden Tag. In der Summe habe ich in den vergangenen 12 Monate mehr als drei Tage mit Meditation verbracht. Drei Tage Stille. Bis auf die gelegentlich freundliche Stimme des Headspace-Lehrers Andy Puddicombe. Die gehört mittlerweile zu meinem Alltag, wie Zähne putzen. Beides gibt mir das gute Gefühl, etwas wichtiges für mich getan zu haben.
Ich habe natürlich auch in andere Apps reingeschaut – 10% Happier, Insight Timer, Glo. Alle irgendwie gut. Aber trotzdem kam ich immer wieder zu Headspace zurück.
Ich mag an Headspace vor allem die einfache Struktur der App und die der angebotenen Meditationen. Oft nutze ich Headspace sogar nur als Timer. Wenn ich ganz andere Meditationen – wie Metta-Meditation oder Colin Wrights Nicht-Meditation „20 Minutes of Awesome“ – probiere. Manchmal mache ich bei Headspace die sogenannten „Single“. Und dann und wann mache ich ganze Kurse zu bestimmten Themen.
Eine großartige App mit einer niedrigen Schwelle zum Starten. Das hier ist keine Werbung, sondern meine ganz klare Empfehlung.
Doch kommen wir zurück zur Meditation und zum „Warum“ und „Darum“.

Meine Ecke, in der ich täglich meditiere.
Den Geist kann man nicht leeren – man kann aber hinhören
Was ich schnell gelernt habe, war dem gängigen Irrglauben zu entfliehen, dass es bei der Meditation darum geht, seinen Geist zu leeren, nicht mehr zu denken.
An nichts zu denken ist schlicht unmöglich.
Es geht in der Meditation viel mehr darum, einen anderen Blick auf sein Denken zu finden. Das Denken überhaupt erst einmal wieder wahrzunehmen als Bestandteil des Geistes. Und durchzudringen durch das Geschnatter im Kopf, hin zu den wesentlichen Aspekten. Und wenn ich „wesentlich“ meine, dann wörtlich: Dem eigenen Wesen gerecht werden, sein Selbst zu sein, wesentlich zu sein.
Der Meditationslehrer Light Watkins findet die schöne Metapher, dass ein Schwimmer ja auch nicht versuchen würde, das Wasser zu bändigen. Ein Schwimmer wird immer in dem Wasser schwimmen, mit dem Wasser, durch das Wasser. Der Autor des Buches „10% Happier“, Dan Harris, hingegen nutzt das Bild des Wasserfalls. Zu meditieren ist für ihn, wie hinter den Wasserfall zu gehen. Das Getöse ist immer noch da. Aber man ist alleine damit, in einer Höhle aus weißem Rauschen und sieht alles mal von einer anderen Seite.
Vom „Reinspüren“ und „totalem Ausflippen“
An manchen Tagen funktioniert das sehr gut. Dann komme ich wieder nahe an dieses einmalige Gefühl aus dem Workshop von Atma.
An anderen ist es fürchterlich. Dann sitze ich auf meinem Meditations-Kissen und flippe innerlich die ganze Zeit total aus. Komme nicht herunter. Eher noch höher.
Will aufhören, weil das ja alles totaler Quatsch ist. Ich muss doch ins Büro. Und was ist eigentlich mit dem Auto. Brauchen wir mal ein neues Auto? Aber nur, wenn die Kunden alle bezahlt ha … Einatmen. Ausatmen. … Leck mich. Warum spielt der Nachbar jetzt Gitarre? Jetzt!? Ich höre … jetzt … Einatmen. Eins. Ausatmen. Zwei …
Ich weiß heute: Das ist normal. Nein, nicht nur normal. Es ist ein fester Bestandteil der Meditations-Praxis. Es ist der Affe im Kopf, der gerade dann, wenn man zur Ruhe kommen will, Tango tanzt. Während er auf seiner Trommel herumkloppt und mit Bananenschalen um sich wirft. Und dich auslacht und anspuckt. Deshalb gibt es in der Meditation auch den Begriff des „Monkey Mind“. Und genau um das geht es. Ihm zu begegnen. Ihn, den Affen im Kopf, zu bändigen. Das geht. Manchmal.
Man kann nicht zu rappelig sein zum Meditieren
Das ist dann auch das häufigste, was man zu hören bekommen:
Ich habe das mal versucht mit dieser Meditation. Aber ich bin dafür zu unruhig. Das ist nichts für mich.
Hier möchte ich dann noch einmal Light Watkins zitieren, wenn er sagt:
Man sagt ja auch nicht, man ist nicht fit genug, um ins Fitness-Studio zu gehen.
Oder wie es so schön heißt:
Wenn du am Tag keine 10 Minuten Zeit findest zu meditieren, dann meditiere 20 Minuten.
Was bleibt: Sein „Selbst“ zu sehen. Am Horizont.
Alles in allem hat mich Meditation ein ganzes Stück näher zu mir selbst gebracht. Es hat oft eine Tür zu meinem Unterbewusstsein geöffnet und mir damit geholfen, Antworten auf persönliche komplexe Themen zu finden. Manchmal nur einen Spalt. Aber oft genügte das.
An anspruchsvollen Tagen beruhigt es mich. Und an normalen Tagen ist Meditation eine Oase der Stille und des Innehaltens. Es gibt nichts Schlechtes an Meditation.
Nun könnte man sagen: Dann ist ja erst einmal gut. Dann kann ich ja aufhören. Aber ich will genau das Gegenteil tun. Ich habe das dringende Bedürfnis, mich noch intensiver mit Meditation zu beschäftigen. Habe deshalb einige Bücher darüber gelesen: „Bliss more“ von Light Watkins.
„10% Glücklicher“ ist doch auch was
Und vor allem das großartige „10% Happier“ des amerikanischen Journalisten Dan Harris. In letzterem beschreibt Harris, wie er als totaler Skeptiker, Kriegsberichterstatter und Drogenkonsument nach einer Panikattacke, live im Fernsehen, nicht nur einsehen musste, wie großartig Meditation ist, sondern wie ihn das zu einem Evangelisten der Meditation und eben einer besseren Version seiner selbst gemacht.
Das perfekte Buch für alle, die aus der pragmatischen Ecke kommen und skeptisch sind. Denn das ist Harris auch – und bis heute geblieben. Eine konkrete Leseempfehlung. Leider ist die deutschsprachige Ausgabe nur noch gebraucht zu bekommen.
Im folgenden Video zeigt Harris diesen wichtigen Moment aus seinem Leben und erzählt ein wenig dazu:
Goodbye, Ego. Ich muss weiter.
Aber genau darum geht es, was Harris in seinem Buch erzählt und was er erlebt hat: Zu sich selbst zu kommen. Zu dem, was man wirklich ist. Diese beste Version des eigenen Selbst, die man oft gar nicht kennt. Und die das Ego irgendwann unter dem ganzen Krach und Schmutz und Staub unseres Alltags begraben hat. Meditation ist da die Spitzhacke, mit der wir es wieder ausgraben.
Einige weitere Bücher von Toni Packer oder Sharon Salzberg liegen bereit. Vor allem auf das von Sharon freue ich mich. Sie ist Lehrerin der großartigen Metta-Meditation. Sie nennt das „Loving Kindness“:
Neben den Büchern will ich aber auch endlich raus. Ein Jahr lang habe ich jetzt für mich, mit einer großartigen App und begleitet von interessanter und erhellender Literatur meditiert. Viele tolle Gespräche darüber geführt.
Mein Mind aber will mehr. Raus in die Welt. Auf Workshops, Retreats gehen, einen Meditationskreis hier in Bielefeld finden, Lehrer und andere Meditierende kennenlernen.
Das wird passieren.
Amor Fati.
Photo by ardito ryan Harrisna on Unsplash
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[…] konsequent für mich umzusetzen und in mein Leben zu integrieren. Über das Journaling und die Meditation habe ich bereits gebloggt. Gesunde Ernährung ist für mich so ein Beiboot-Thema, da Steffi das bei […]
[…] Vorgeschichte ist schnell erzählt, weil sie es schon wurde – in meinem Blog-Artikel „1 Jahr täglich meditieren“. In der Kurzfassung geht die so: Anfang 2018 begann ich zu meditieren, weil mir das aus […]
[…] Meditationskrise ist schnell erzählt, weil sie es schon wurde – in meinem Blog-Artikel „1 Jahr täglich meditieren“. In der Kurzfassung geht die so: Anfang 2018 begann ich zu meditieren, weil mir das aus […]
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Ich habe vor ein paar Jahren auch damit angefangen, ab und zu zu meditieren. Ich hatte so viel darüber gelesen, wie es das Leben verändern kann. In der Anfangszeit habe ich dann nur sehr unregelmäßig meditiert und nach einer Weile die Lust verloren, weil ich das Gefühl hatte, es würde mir nichts bringen.
Eine ganze Weile später habe ich es dann nochmal versucht und auch das auch wirklich konsequent täglich, immer morgens nach dem Aufstehen. Es hat dann zwar auch ein paar Wochen gedauert, bis ich Veränderungen bemerkt habe, aber seitdem möchte ich es auch nicht mehr missen.
Meditation ist seitdem ein fester Bestandteil meiner Morgenroutine und gibt mir so unendlich viel Kraft und Energie.